Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen
Wenn die eigenen Kinder volljährig werden, heißt das nicht automatisch, dass Eltern sie nicht mehr in vielfältiger Weise unterstützen. Denn die Lebenshaltungskosten sind hoch und selbst mit Studi-Job können viele Studenten ihren Lebensunterhalt gerade in den Großstädten nicht allein bestreiten. Und auch, wenn es mit dem Studium mal etwas länger dauert und das Kindergeld ausläuft, können Eltern zumindest bei der Steuererklärung die Unterhaltsleistungen noch als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Doch dafür gibt es Voraussetzungen. Denn geholfen werden soll nur denen, die wirklich bedürftig sind und kein eigenes Vermögen zur Finanzierung einsetzen können. Wie sich dieses sogenannte Schonvermögen genau berechnet, hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem aktuellen Urteil vom 29. Februar 2024 (VI R 21/21) zu entscheiden.
Eltern unterstützen Sohn bis zum Ende des Studiums
Im vom BFH zu entscheidenden Fall wurden die Eltern im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt und machten für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. September Unterhaltszahlungen an ihren während dieser Zeit auswärts studierenden Sohn als außergewöhnliche Belastungen geltend. Diese setzten sich zusammen aus Mietzahlungen, Zahlungen für den Lebensunterhalt, Kleidung, Studiengebühren sowie Beträge zu Kranken- und Pflegeversicherung. Den Lebensunterhalt in Höhe von 500 Euro für den Monat Januar überwiesen die Eltern dabei bereits am 28. Dezember des Vorjahres.
Unterhalt bis zur Höhe des Grundfreibetrags abzugsfähig
Unterhaltsleistungen sind nur im begrenzten Umfang steuerlich abziehbar. Sie können bis zur Höhe des steuerlichen Grundfreibetrags (2024: 11.604 Euro) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, wenn einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung für eine Person erwachsen, die gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Dieser Höchstbetrag erhöht sich um die die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die für die unterhaltsberechtigte Person gezahlt wurden.
Empfänger muss bedürftig sein
Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind Verwandte in gerader Linie, wie zum Beispiel Kinder, Enkel, Eltern und Großeltern, nicht hingegen Verwandte in der Seitenlinie wie Geschwister. Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ist zudem, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur ein geringes Vermögen verfügt (sogenanntes Schonvermögen), ist unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens beziehungsweise dessen Verkehrswert zu entscheiden. Ein Wert von bis zu 15.500 Euro ist in der Regel als gering anzusehen.
Unstreitig war im vorliegenden Fall, dass der Sohn unterhaltsberechtigt ist. Und es bestand auch unstreitig kein Kindergeldanspruch mehr. Problematisch war jedoch aus Sicht der Finanzverwaltung die Höhe des Vermögens des Sohnes.
Unterhaltsleistungen unschädlich für Schonvermögen
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der geltend gemachten Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ab, weil der Sohn ausweislich der Saldenbestätigungen der Sparkasse über mehr als 15.500 Euro verfügte Damit habe er ein nicht nur geringes Vermögen besessen. Die Konten des Sohnes ergaben zum 1. Januar des Streitjahres einen Wert von 15.950,91 Euro und zum 30. September einen Wert von 16.216,95 Euro.
Der BFH rechnete jedoch noch einmal mit spitzer Feder nach und kam zu einem anderen Ergebnis. Ihre Begründung: Unterhaltsleistungen sind nicht in die Berechnung des Vermögens einzubeziehen, da es sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs handelt. Sie sind zum Verbrauch bestimmt und nicht zur Vermögensbildung vorgesehen. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums beziehungsweise bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden.
Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht monatsgetreu, sondern im Jahresverlauf schwankend verbraucht werden.
Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen
Einnahmen wie Unterhaltszahlungen, sind grundsätzlich innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Davon gibt es aber eine Ausnahme. Denn regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen zog der BFH die im Dezember gezahlten Lebenshaltungskosten für Januar in Höhe von 500 Euro vom Bankbestand am 1. Januar ab und kam zu einem Schonvermögen am 1. Januar von maximal 15.450,91 Euro. Dieses Vermögen ist im streitigen Zeitraum auch nicht auf einen Betrag von über 15.500 Euro angewachsen. Der vom Finanzamt auf Basis der Banksalden errechnete Vermögenszuwachs beruht allein auf „unschädlich“ angesparten Beträgen aus nicht verbrauchten Unterhaltszahlungen des Streitzeitraums. Denn nach Feststellungen des Finanzgerichts ist nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitraum Zuführungen aus anderen Quellen (wie zum Beispiel aus Schenkungen oder Arbeitseinkünften) in das Vermögen des Sohnes erfolgt sind.
Berechnung der Unterhaltshöchstgrenze
Der BFH gab daher der grundsätzlichen Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen statt. Da das Studium am 30. September beendet wurde, konnten die Aufwendungen allerdings nur zeitanteilig angesetzt werden. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigen sich die dort bezeichneten Beträge um je ein Zwölftel. Die Unterhaltsaufwendungen bzw. der Grundfreibetrag als Höchstbetrag waren aufgrund des am 30. September abgeschlossenen Studiums um drei Zwölftel zu kürzen. Zusätzlich durften jedoch die von den Eltern in den Monaten Januar bis September übernommenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt werden.