Zollrechtliche Einordnung von Kälberhütten
Kälberhütten werden üblicherweise außerhalb von Ställen als Witterungsschutz für die Tiere aufgestellt. Doch handelt es sich hierbei um vorgefertigte Gebäude oder doch nur um Waren aus Kunststoff? Wichtig wird diese Frage bei der Berechnung von Einführzöllen und so musste sich zunächst der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 13. Juni 2024 – C 104/23) und nun der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 7. November 2024 – VII R 8/24) mit dieser Frage befassen.
Zolltarif zur Berechnung der Höhe der Abgaben
Im Zolltarif der Europäischen Union werden die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben, die bei Ein- und Ausfuhren von Waren zu beachten sind, zusammengefasst. Auf der Grundlage der festgelegten Codenummer können so bereits vor der Abfertigung der Ware die entstehenden Abgaben und Kosten berechnet und die notwendigen Papiere rechtzeitig beschafft werden.
Sind Kälberhütten als vorgefertigte Gebäude einzustufen?
Der Steuerpflichtige beantragte die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für von ihm regelmäßig eingeführte Waren unterschiedlicher Größe und Machart, die als Kälberhütten oder Kälberiglus bezeichnet werden. Die aus einem Gehäuse (Wände und Dach) und zum Teil auch einem Fußbodenelement bestehenden Waren sind mit Einstreu- und Belüftungsöffnungen sowie an der Vorderseite mit einer Eintrittsöffnung ohne Tür versehen.
Das größte Modell hat die Maße 220 cm Länge x 273 cm Breite x 183 cm Höhe. Die Kälberhütten bestehen aus Polyethylen und einem Metallrahmen als Grundlage jeder Hütte. Zudem ist ein metallischer Rahmen in den Türrahmen eingeschweißt.
Der Steuerpflichtige begehrte eine Einreihung in die Unterposition 9406 90 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) als „vorgefertigte Gebäude“ bestehend „aus anderen Stoffen“ mit einem Zollsatz von 2,7 Prozent. Das Hauptzollamt reihte die Waren in die Position 3926 90 97 „andere Waren aus Kunststoffen“ mit einem Zollsatz von 6,5 Prozent ein. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
EuGH urteilt zum Gebäudebegriff
Nach einem erfolglosen Vorverfahren rief der BFH den Europäischen Gerichtshof an. Dieser entschied, dass als „‚vorgefertigte Gebäude‘ im Sinne der Position 9406 im Wesentlichen Gebäude gelten, die im Werk fertig gestellt worden sind oder als Einzelteile geliefert auf der Baustelle zusammengesetzt werden, wie beispielsweise Wohngebäude, Baustellenunterkünfte, Bürogebäude, Schulen, Kaufhäuser, Schuppen, Garagen oder ähnliche Gebäude. Auch wenn diese Liste beispielhaft ist, zählt sie somit ausnahmslos bauliche Anlagen auf, die menschliche Tätigkeiten erleichtern, die Menschen betreten und in denen sie sich aufrecht bewegen können, insbesondere um darin Tätigkeiten nachzugehen.
Folglich sei der Begriff „Gebäude“ in der KN-Position 9406 00 unter Berücksichtigung des Sinns des Begriffs „Gebäude“ dahingehend zu verstehen, dass er eine bauliche Anlage umfasst, die Personen in aufrechter Körperhaltung betreten und in der sie sich aufrecht bewegen können.
Der EuGH wies aber ebenfalls darauf hin, dass, entgegen der Ansicht des Finanzgerichts, die bauliche Anlage für eine solche Nutzung keinen vollständig umschlossenen Raum bilden muss.
BFH sieht ebenfalls kein Gebäude
Der BFH schloss sich dem Urteil des EuGH an. Das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren sei in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen. Die Kälberhütten sind entsprechend ihrer stofflichen Beschaffenheit (Fertigung überwiegend aus dem Kunststoff Polyethylen) von der Pos. 3926 KN erfasst. Denn die Pos. 3926 KN erfasst nach ihrem Wortlaut „Andere Waren aus Kunststoffen“.
Die Pos. 9406 KN dagegen erfasst nach ihrem Wortlaut „vorgefertigte Gebäude“. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass ein durchschnittlich großer Mensch das Gebäude betreten und sich darin aufrecht bewegen kann. Die Kälberhütten erfüllen diese Voraussetzungen des Gebäudebegriffs nicht vollständig.
Es ist zwar unschädlich, dass die vom Steuerpflichtigen eingeführten Kälberhütten jeweils über eine offene Frontseite als Ein- und Austrittsöffnung verfügen und deshalb keinen zu allen Seiten vollständig umschlossenen Raum bilden. Sie weisen aber die erforderliche Dimension nicht auf, weil sie nicht über die Stehhöhe für einen durchschnittlich großen Menschen verfügen.
Zu große Menschen für kleine Kälberhütten
Die Waren werden üblicherweise von erwachsenen Menschen genutzt, die darin Kälber unterbringen und versorgen. Selbst die Dimensionen der beschriebenen Gruppenhütte (die anderen sind noch deutlich niedriger) erreichen eindeutig nicht eine Stehhöhe für durchschnittlich große typische Verwender der Ware. Die hierfür erforderliche Höhe beträgt im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls mehr als 183 cm. Diese Schwelle ergibt sich aus der durchschnittlichen Körpergröße europäischer Männer, die im oberen Bereich bis zu 184 cm reicht, und der zusätzlich erforderlichen Kopffreiheit, um Tätigkeiten in aufrechter Haltung ausüben zu können. Im Falle von Kälberhütten könnte sogar noch der Höhenverlust durch die für eine Nutzung übliche Einstreu zu berücksichtigen sein. Auch die Höhe der Sohlen der verwendeten Arbeitsschuhe verringert die verbleibende Stehhöhe.
Fazit: Die Größe europäischer Männer beschert im vorliegenden Fall dem Steuerpflichtigen einen um 3,8 Prozentpunkte höheren Zolltarif. Denn für ein Gebäude, auch ohne Tür, müssen typische Verwender darin stehen und Tätigkeiten ausüben können. Die Größe der Kälbchen spielt keine Rolle.