Keine Durchschnittssatzbesteuerung bei entgeltlichem Verzicht auf ein vertragliches Lieferrecht
Land- und Forstwirte können für bestimmte im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführte Umsätze eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen (aktueller Stand 9,0 Prozent) in Anspruch nehmen. Werden Kartoffeln oder Salat geliefert, liegen unstreitig begünstigte landwirtschaftliche Umsätze vor. Doch was, wenn sich an den vertraglichen Grundlagen der Lieferbeziehung zwischen Landwirt und Abnehmer etwas ändert? Einen solchen Fall hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 23. August 2023 (XI R 27/21) zu entscheiden.
Die landwirtschaftlich tätige GbR und das Finanzamt stritten darüber, ob ein Verzicht auf einen vertraglichen Anspruch auf Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen gegen eine Ausgleichszahlung ebenfalls der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegt. Die GbR schloss im Jahr 2011 einen erstmals zum Ende des Jahres 2015 kündbaren Vertrag mit einer KG über die Lieferung von 70 Prozent der von der GbR erzeugten Lebensmittel (Feldsalat, Rucola, Bundzwiebeln, Wildkräuter, Pflücksalat). Die GbR ging eine Lieferverpflichtung und die KG eine Abnahmeverpflichtung ein. Die Besteuerung der Lieferung der Erzeugnisse erfolgte zum Durchschnittssteuersatz.
Im Jahr 2013 schlossen die GbR und die KG einen Aufhebungsvertrag. Die KG zahlte danach „zum Ausgleich der aufgrund der vorzeitigen Vertragsauflösung entstehenden Einbußen“ eine „Abstandszahlung“ an die GbR, die das Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung mit dem Regelsteuersatz besteuerte. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht Rheinland-Pfalz der GbR Recht (Az.: 6 K 2136/16). Hiergegen richtet sich die Revision des Finanzamtes beim BFH.
Das Finanzamt argumentierte, der Durchschnittssteuersatz sei nicht anwendbar, denn der Verzicht auf das Lieferrecht bzw. die Zustimmung sei keine landwirtschaftliche Dienstleistung und auch kein landwirtschaftliches Erzeugnis. Dem folgt der BFH in seinem Urteil. Der entgeltliche Verzicht auf ein Lieferrecht durch Zustimmung des Land- oder Forstwirts zur vorzeitigen Auflösung des Liefervertrags fällt nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung.
Der BFH führte aus, dass eine Leistung (hier: die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse) und eine darauf bezogene Verzichtsleistung (hier: der Verzicht auf das Recht zur Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse) nicht immer gleich zu behandeln sind. Das bedeutet für den Verzicht muss nicht zwingend die Durchschnittssatzbesteuerung greifen, auch wenn die Lieferung der Erzeugnisse zu Recht zum Durchschnittssteuersatz erfolgt. Der Verzicht auf ein Lieferrecht ist weder eine landwirtschaftliche Dienstleistung noch werden durch den Verzicht landwirtschaftliche Erzeugnisse geliefert, da hierfür keine Gegenstände vom landwirtschaftlichen Betrieb des Landwirts erzeugt werden.
Die Anwendung des Durchschnittssteuersatzes setzt des Weiteren voraus, dass es sich um eine Leistung handelt, bei der typisierend davon auszugehen ist, dass ihre Erbringung zu einer entsprechenden Mehrwertsteuer-Vorbelastung führt oder zumindest führen kann. Für den Verzicht auf ein vertragliches Lieferrecht trifft dies nicht zu, denn die Ausrüstung des landwirtschaftlichen Betriebs wird für einen solchen Verzicht nicht benötigt.
Jedoch konnte der BFH den Fall nicht abschließend entscheiden, da das Finanzgericht nicht festgestellt hat, ob in Zusammenhang mit der regelbesteuerten Verzichtsleistung der GbR abziehbare Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen sind. Der Fall wurde daher an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Fazit und Empfehlung
Der BFH selbst gibt in seinem Urteil Hinweise auf analoge Anwendungsfälle seiner Entscheidung. So ist das Urteil vergleichbar mit dem Urteil bezüglich der Leistung eines Landwirts, der ein Grundstück als ökologische Ausgleichsfläche zur Verfügung gestellt und in diesem Rahmen auf eine landwirtschaftliche Nutzung (bis auf eine Nutzung als Weide) verzichtet hat. Der BFH hat diesen Verzicht ebenfalls als nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung fallend angesehen, da sie nicht landwirtschaftlichen Zwecken diene (BFH-Urteil vom 28.05.2013 – XI R 32/11). Gleiches gilt für die Verpflichtung, Land über mindestens fünf Jahre von der Fruchtfolge auszunehmen und dessen schädliche landwirtschaftliche Nutzung zu unterlassen.
Land- und Forstwirte sollten vor dem Abschluss von Verzichtsvereinbarungen Rücksprache mit ihrem Steuerberater halten, um die steuerlichen Folgen dieser Vereinbarungen zu prüfen.