Große Familien werden bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung entlastet
Bisher wurde bei der Pflegeversicherung nur zwischen Kinderlosen und Beitragszahlern mit Kind(ern) unterschieden. Das ist nicht verfassungsgemäß, entschied das Bundesverfassungsgericht 2022, und gab dem Gesetzgeber bis Ende Juli 2023 Zeit, eine Neuregelung zu schaffen, welche die Kinderzahl bei der Beitragsbelastung berücksichtigt. Dies wurde mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) umgesetzt. Seit dem 1. Juli 2023 werden gesetzlich versicherten Eltern mit mehr als einem Kind Abschläge vom Pflegeversicherungsbeitrag gewährt. Es gibt allerdings nicht nur Entlastungen.
Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes und des Zuschlags für Kinderlose
Der allgemeine Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung wurde ab 1. Juli 2023 von 3,05 % auf 3,4 % der Bemessungsgrundlage angehoben. Diesen zahlen Eltern mit einem Kind bzw. nachgewiesener Elterneigenschaft. Zudem wurde der Beitragszuschlag für Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr von 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte angehoben, sodass deren Beitragssatz auf 4,0 % der Beitragsbemessungsgrenze steigt.
Entlastung für Familien mit zwei oder mehr Kindern
Gleichzeitig werden Beitragszahler mit mehreren Kindern entlastet: ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind mit einem Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für jedes Kind. Bei der Ermittlung des Abschlags werden Kinder, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, jedoch nicht mehr berücksichtigt. Demnach wird die Reduzierung der Beiträge nur für die jeweilige Anzahl der Kinder unter 25 Jahren berücksichtigt.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer hat zwei Kinder im Alter von 17 und 24 Jahren. Im September 2023 wird das ältere Kind 25 Jahre alt.
Im Zeitraum von Juli bis September 2023 ist für den Arbeitnehmer ein Beitrag von 3,15 % der Bemessungsgrundlage zu zahlen (3,4 % abzüglich 0,25 Prozentpunkte Abschlag). Davon übernimmt der Arbeitgeber 1,7 % und der Arbeitnehmer 1,45 %. Ab Oktober 2023 ist nur noch ein Kind berücksichti-gungsfähig und es wird ein Beitrag von 3,4 % fällig, der hälftig vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen wird.
Die Elterneigenschaft bleibt lebenslang erhalten. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist aber nach der Zeit, in der der wirtschaftliche Aufwand der Kindererziehung typischerweise anfällt, eine weitere Differenzierung zwischen Eltern mit unterschiedlicher Kinderzahl nicht mehr erforderlich. Der Gesetzgeber sieht es daher als gerechtfertigt an, dass Eltern von erwachsenen Kindern wieder den regulären Beitragssatz in Höhe von 3,4 % zahlen. Es ist aber kein Zuschlag für Kinderlose zu berechnen.
Ab dem fünften Kind unter 25 Jahren bleibt es bei einer Entlastung in Höhe eines Abschlags von insgesamt 1,0 Beitragssatzpunkten.
Beispiel:
Eine Arbeitnehmerin hat vier Kinder im Alter zwischen 5 und 15 Jahren. Im August 2023 bringt sie Zwillinge zur Welt.
Im Juli 2023 hat die Arbeitnehmerin vier berücksichtigungsfähige Kinder. Daher ist im Juli 2023 ein Beitrag von 2,65 % der Bemessungsgrundlage zu zahlen (3,4 % abzüglich 0,75 Prozentpunkte Abschlag). Davon übernimmt der Arbeitgeber 1,7 % und die Arbeitnehmerin 0,95 %. Ab August hat die Arbeitnehmerin sechs Kinder. Für die Pflegeversicherung wird aber maximal ein Abschlag von insgesamt 1,0 Beitragspunkten (bei fünf und mehr Kindern) gewährt. Somit ist ab August 2023 ein Beitrag von 2,40 % der Bemessungsgrundlage zu zahlen (3,4 % abzüglich 1,0 Prozentpunkt Abschlag). Davon übernimmt der Arbeitgeber 1,7 % und die Arbeitnehmerin 0,70 %.
Auch Eltern, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, können die Beitragsabschläge erhalten.
Der Arbeitgeberanteil (50 % des allgemeinen Beitrags-satzes) verändert sich durch die Zu- oder Abschläge nicht. Wie bisher muss der Kinderlosenzuschlag von den Beitragszahlern allein getragen werden und die Abschläge kommen den Beitragszahlern vollständig zugute.
bis 1. Juli 2023 | Beitragssatz | Zuschlag | Abschlag | Gesamt | AG* | AN* |
kein Kind | 3,05 % | 0,35 % | 0,00 % | 3,40 % | 1,525 % | 1,875 % |
ab 1 Kind | 3,05 % | 0,00 % | 0,00 % | 3,05 % | 1,525 % | 1,525 % |
*Ausnahme Sachsen: AG nur 1,025 %, AN zzgl. 0,5 %
ab 1. Juli 2023 | Beitragssatz | Zuschlag | Abschlag* | Gesamt | AG** | AN*** |
kein Kind | 3,40 % | 0,60 % | 0,00 % | 4,00 % | 1,70 % | 2,30 % |
1 Kind bzw. nachgewiesene Elternschaft | 3,40 % | 0,00 % | 0,00 % | 3,40 % | 1,70 % | 1,70 % |
2 Kinder * | 3,40 % | 0,00 % | 0,25 % | 3,15 % | 1,70 % | 1,45 % |
3 Kinder * | 3,40 % | 0,00 % | 0,50 % | 2,90 % | 1,70 % | 1,20 % |
4 Kinder * | 3,40 % | 0,00 % | 0,75 % | 2,65 % | 1,70 % | 0,95 % |
ab 5 Kinder * | 3,40 % | 0,00 % | 1,00 % | 2,40 % | 1,70 % | 0,70 % |
* Gilt nur für Kinder unter 25 Jahre
** Ausnahme Sachsen: AG nur 1,2 % *** Ausnahme Sachsen: AN zzgl. 0,5 % |
Korrekte Lohnabrechnung nur mit Informationen zu den Kindern möglich
Da nunmehr nicht nur die Elterneigenschaft für die Höhe der Pflegeversicherungsbeiträge maßgeblich ist, sondern auch die Anzahl der Kinder und ihr Alter, sind diese Angaben künftig auch gegenüber der beitragsabführenden Stelle bzw. bei Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse nachzuweisen. Dafür soll es ein einheitliches, zentralisiertes und digitalisiertes Verfahren geben, das aber erst geschaffen werden muss. Spätestens ab 1. April 2025 soll es möglich sein, die Daten digital abzurufen.
In einer Übergangszeit vom 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2025 ist es ausreichend, wenn gesetzlich versicherte Arbeit-nehmer ihrem Arbeitgeber die Daten der Kinder ledig-lich mitteilen. Auf die Vorlage und die damit verbundene Prüfung konkreter Nachweise wird im Übergangszeitraum verzichtet. Spätestens ab 1. Juli 2025 müssen Arbeitgeber bzw. bei Selbstzahlern die beitragsabführenden Stellen dann aber die angegebenen Kinder mittels geeigneter Nachweise oder digitaler Datenabrufe überprüfen. Welche Nachweise geeignet sind und in welcher Form sie vorzulegen sind, ist derzeit noch unklar. Für die Praxis heißt dies, dass zunächst der allgemeine Beitragssatz erhoben werden darf. Die ab 1. Juli 2023 zu viel gezahlten Beiträ-ge müssen aber spätestens bis Ende Juni 2025 verzinst zurückgezahlt werden.
Empfehlung: Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter bitten, die erforderlichen Informationen zu den Kindern (Name, Vorname, Geburtsdatum) schnellstmöglich mitzuteilen. Nur wenn die Daten vorliegen, können die Pflegeversicherungsbeiträge in der Lohnabrechnung korrekt ermittelt werden. Anderenfalls sind Korrekturen erforderlich, die zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand verursachen. Zudem müssen Arbeitnehmer mit Kindern zunächst zu hohe Beiträge zahlen.